Was sind Schizophrenien?
Wenn Menschen an einer Schizophrenie erkrankt sind, erleben sie die Umwelt möglicherweise anders als zuvor und anders als die meisten Menschen in ihrem Umfeld. Es kann sein, dass Sie Dinge hören, sehen, riechen oder fühlen, die andere Menschen nicht wahrnehmen. Es kann auch sein, dass Sie beängstigende Gedanken haben, oder fühlen, dass Menschen ihre Gedanken lesen, ihr Denken steuern können oder ihnen schaden wollen.
Der Begriff Schizophrenie setzt sich aus den altgriechischen Worten schizo (= spalten) und phren (= Geist oder Psyche) zusammen, meint jedoch nicht „eine Spaltung des Gehirns“, sondern vielmehr eine Störung der Integration verschiedener psychischer Funktionen und Wahrnehmungen. Bei Schizophrenien handelt es sich nicht um eine einzelne Krankheitsentität, sondern um eine Gruppe von Störungen mit ähnlichen Symptomen.
Ursachen
Bei der Entstehung der Erkrankung spielen unterschiedliche Ursachen eine Rolle, dabei sind Schizophrenien nicht auf eine einzelne Ursache zurückzuführen. Wie bei anderen häufigen chronischen Erkrankungen, wie etwa Diabetes, Asthma oder Bluthochdruck geht man davon aus, dass mehrere Faktoren zu unterschiedlichen Entwicklungsphasen zusammenspielen und zur erst später diagnostizierten Erkrankung führen. Es kommt demnach zu einem Zusammenwirken von genetischen Faktoren, frühkindlichen und schon während der Schwangerschaft auftretenden Risikofaktoren mit späteren beim Heranwachsen auftretenden Umweltfaktoren. Dies können z. B. frühe soziale Ausgrenzungserfahrungen, Aufwachsen in Großstädten, früher Cannabiskonsum oder Migrationserfahrungen sein.
Symptome der Schizophrenie
Viele Symptome von Schizophrenien sind auf Störungen der Informationsweiterleitung und -verarbeitung im Gehirn zurückzuführen. Es wird davon ausgegangen, dass die fein synchronisierte Kommunikation zwischen den Nervenzellen des Gehirns, die über die Freisetzung von chemischen Botenstoffen erfolgt, nicht mehr optimal funktioniert. Oft wird auch von einer Filterstörung gesprochen, so dass wichtige von unwichtigen Reizen nicht mehr gut getrennt werden und eigentlich nebensächliche Wahrnehmungen eine übermäßig hohe Bedeutung erlangen können.
Symptome von Schizophrenien sind demnach häufig eine Kombination aus Störungen der Wahrnehmung, des Denkens, des Verhaltens sowie der emotionalen Verarbeitung. Neu auftretende Veränderungen des Wahrnehmens, des Verhaltens oder Denkens werden dabei eingeteilt nach den sogenannten Positivsymptomen (etwas Neues kommt zum Erleben dazu) und den sogenannten Negativsymptomen (eine Abnahme oder Verlust von zuvor bestehenden Funktionen).
Typische Positivsymptome bei Schizophrenien sind:
- Wahrnehmungsstörungen oder Halluzinationen bezeichnen Sinneseindrücke, die nicht durch einen Reiz von außen ausgelöst werden, die die Betroffenen jedoch als real erleben. Über die Hälfte der Betroffenen erlebt z.B. akustische Halluzinationen oft als Stimmen. Auch wenn das Stimmenhören die häufigste Wahrnehmungsstörung ist, können Halluzinationen alle fünf Sinne betreffen: Hören, Sehen, Tasten, Schmecken und Riechen.
- Wahn oder inhaltliche Denkstörungen: Das Denken kann zusammenhangslos und für andere nicht nachvollziehbar wirken. Die Betroffenen können auch aufgrund veränderter Wahrnehmungen zu Überzeugungen gelangen, die sie nicht mehr korrigieren können, auch wenn Mitmenschen entsprechende Überzeugungsversuche unternehmen. Betroffene können z. B. überzeugt sein, manipuliert, beobachtet, beeinflusst oder abgehört zu werden.
- Ich-Störungen umfassen ein verändertes Erleben der eigenen Person. Die Betroffenen sind dann nicht mehr in der Lage, die eigene Person, und damit die eigenen Gedanken oder Handlungen, von ihrer Umwelt zu unterscheiden. Betroffene meinen dann z. B., dass ihnen Gedanken von anderen eingegeben werden oder ihr Verhalten von außen gesteuert wird.
Die andere Gruppe der Negativsymptome, die durch einen Verlust von Funktionen gekennzeichnet sind, wie sie in sozialen Interaktionen zu erwarten wären, beinhalten zum Beispiel:
- Mangel von Motivation und Initiative. Hier verbringen Betroffene oft viel Zeit zu Hause oder im Bett, ohne eine Motivation aufzubringen, etwas zu tun. Dabei kann das Erscheinungsbild und das Bedürfnis der Selbstfürsorge abnehmen. Die Betroffenen haben dabei jedoch im Gegensatz zur Depression keine Schuldgefühle, Selbstvorwürfe und gedrückte Stimmung. Störungen der Konzentration, der Fähigkeit zur Tagesstrukturierung und der Fähigkeiten zum komplexen planvollen Handeln können ebenfalls zur Negativsymptomatik gezählt werden.
- Depressivität. Auch bei Schizophrenien besteht häufig ein depressives Syndrom einhergehend mit Interesseverlust, gedrückter Stimmung, Selbstvorwürfen, Hoffnungslosigkeit und sozialem Rückzug.
- Störungen des Affekts meint, dass die Gefühle bzw. Gefühlsäußerungen der Betroffenen für Außenstehende oft nicht zur erlebten Situation passen. In den Augen der anderen reagieren sie also mit unpassenden, manchmal gegensätzlichen Gefühlen oder sie werden von ihrem Umfeld als gefühlsarm erlebt. Fehlende emotionale Reaktion und eine sogenannte affektive Verflachung mit Störungen des Ausdrucks der erlebten Emotionalität, was Mitmenschen oft so wahrnehmen, als könnten die Betroffenen weder richtig froh oder traurig sein.
Auftreten und Häufigkeit
Schizophrenien treten typischerweise erstmals im Jugend- oder/und frühen Erwachsenenalter auf, manchmal treten sie jedoch auch bei Menschen über 40 Jahren zum ersten Mal auf. Sowohl Männer als auch Frauen erkranken etwa gleich häufig, wobei bei Männern die ersten Symptome tendenziell in jüngerem Alter auftreten. Ungefähr ein Prozent der Bevölkerung erhält im Laufe des Lebens die Diagnose einer Schizophrenie, die Erkrankung verläuft aber nicht immer chronisch. Bei 75 % der Fälle beginnen Schizophrenien mit einem Vorstadium (Prodromalphase), das mehrere Jahre andauern kann, bis die Diagnose aufgrund von Positivsymptomen wie Wahn, Halluzinationen und Denkstörungen gestellt wird. In diesem Vorstadium leiden viele Betroffene an unspezifischen Symptomen wie Depression, Rückzug, innerer Unruhe, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen.
Wie verläuft die Erkrankung?
Der Verlauf von Schizophrenien ist sehr unterschiedlich. Manche Betroffene erleben nur eine psychotische Episode in ihrem Leben. Bei der Mehrzahl der Menschen mit Schizophrenie treten im Lauf ihres Lebens wenige psychotische Episoden mit Positivsymptomatik auf, während andere viele Episoden erleiden. Zwischen den Episoden kommt es mit Behandlung häufig zu einem weitgehenden Verschwinden der psychotischen Symptomatik und einer Verbesserung der psychosozialen Funktionen. Die Betroffenen können z.B. weiterhin lernen, arbeiten oder Beziehungen pflegen. Ein Teil der Patienten ist jedoch, ähnlich wie bei anderen Erkrankungen, dauerhaft beeinträchtigt, wobei dann im Verlauf die Negativsymptomatik überwiegt. Doch eine frühzeitige und anhaltende Behandlung kann das Auftreten von zukünftigen Episoden deutlich reduziert werden.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Je früher eine Behandlung beginnt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankheit prognostisch günstig verläuft Eine erfolgreiche Behandlung von komplexen Erkrankungen wie Schizophrenien umfasst immer eine Kombination verschiedener Methoden.
- Psychopharmaka: Medikamente wie Antipsychotika können helfen, Symptome wie Halluzinationen, Wahn und Denkstörungen zu reduzieren. Oft können sie diese Symptome für viele Menschen ganz beseitigen. Es gibt unterschiedliche Arten von Antipsychotika, die individuell an die Symptome der Betroffenen angepasst werden müssen. Daher ist es wichtig, dass Psychiater und Patienten gut zusammenarbeiten, um eine wirksame Medikation, möglichst ohne Nebenwirkungen, zu finden.
- Psychotherapie: In der Behandlung haben sich besonders ressourcenorientierte Interventionen und die kognitive Verhaltenstherapie bewährt. Dabei wird u. a. das Selbstwertgefühl des Patienten gestärkt und er lernt Stress- und Problembewältigungsstrategien sowie soziale Kompetenzen. Vor allem die Rückfallprävention und Psychoedukation ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung. Der Patient lernt dabei Frühwarnzeichen zu erkennen und wird so selbst zum Experten seiner Erkrankung. Zudem gibt es Therapien wie das metakognitive Training, das einen Fokus auf Strukturen und Wahrnehmung des Denkens legt.
- Soziotherapie: Sozialarbeiter und Sozialpädagogen können bei Schwierigkeiten in den Bereichen der Alltagsbewältigung, Arbeit, Ausbildung oder im Bereich des Wohnens Unterstützung bieten.
- Weitere psychosoziale Maßnahmen: Zur Förderung der sozialen und gesellschaftlichen Reintegration und Rehabilitation können die Betroffenen psychosoziale Maßnahmen in Anspruch nehmen, z. B. Einzelwohnbetreuung oder berufliche und medizinische Rehabilitation. Beschäftigungsmaßnahmen der Ergotherapie können den Betroffenen u. a. darin unterstützen, seine Belastbarkeit zu erhöhen, seine Tage besser zu strukturieren und seinen Antrieb zu verbessern.
- Angehörigenarbeit: Die Erkrankung verändert nicht nur das Leben der Betroffenen, sondern auch das der Angehörigen. In Angehörigengruppen können sich Familienmitglieder und Partner mit anderen Betroffenen austauschen.
Verfasst von:
Dr. Eric Hahn (Charité CBF, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Oberarzt)
Dr. Thi Minh Tam Ta (Charité CBF, Leiterin der Spezialambulanz für vietnamesische Migranten)
Thi Main Huong Nguyen (Charité CBF, Psychologin)
Quellen:
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